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Der Unterführerlehrgang
Die Lebenserinnerungen des Zöllners Hugo Wagner



   

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Ich wurde wieder einmal Hauptmann Lindemann zugeteilt.
Der schickte mich zu einem Unterführerlehrgang nach hinten. Das musste ich beim Kompaniegefechtsstand melden.

Auf dem Weg dorthin kam ich in ein Dorf, in dem gerade eine Fronttheaterbühne gastierte. Sie spielten "Die lustige Witwe", eine Operette von Franz Lehár. Die schaute ich mir natürlich an. Dabei wurde es etwas spät.

Auf dem Knüppelweg hätte ich bis zum Tross einen großen Umweg machen müssen. Weil ich dieses Gelände vom Winter her kannte, ging ich eine Abkürzung. Ich hatte einen Marschkompass und kannte die Marschkompasszahl. Nach der ging ich im Direktmarsch Richtung Ziel. Es wurde dunkel, und es lagen noch etliche Kilometer vor mir. Die Wassergräben, die im Winter tief gefroren waren, waren jetzt mit Wasser gefüllt, ich musste aber durch.
Das habe ich bitter bereut. Endlich sah ich in der Ferne einen Hügel. Ich wusste, dass am Fuße dieses Hügels der Tross lag. Jetzt war ich einigermaßen beruhigt. Bald kam ich aus dem Sumpf heraus und erreichte, waschelnass bis zum Hals, den Bunker, in dem der Spieß war.

Der war ein feiner Kerl, er hatte nur einen Arm, er freute sich wahnsinnig, als er mich sah. Bis auf die Haut zog ich mich aus und hängte meine Klamotten zum Ofen. Der Spieß gab mir von sich Wäsche und Uniform, und ob ich Hunger hätte, das brauchte er mich gar nicht zu fragen.
"Es freut mich am meisten, dass wir einen dritten Skatspieler haben, kannst du das?", fragte mich der Spieß. Ich bejahte, und schon mischte er die Karten. Der vierte Spieler war der Koch. Beim Skatspielen hatten wir viel Spaß. Der Spieß hatte ja nur eine Hand, damit hielt er die fünf Karten. Wenn er ausspielte, legte er die Karten verkehrt auf den Tisch und mit der einen Hand drehte er die passende Karte um. Hin und wieder erwischte er die falsche Karte, und so sahen wir seine Karten. Er verspielte immer. Das war ihm egal. Die halbe Nacht spielten wir, bis ich fast einschlief.

Am Morgen sagte ich zum Spieß, dass ich zum Unterführerlehrgang weitermarschieren müsse. Der Spieß überredete mich, noch einen Tag und eine Nacht hier zu bleiben. So trat ich erst am übernächsten Tag den Weitermarsch zum Unterführerlehrgang an. Dieser fand in einem Dorf fünf Kilometer hinter der Front in einem Dorf statt. Vor dem Dorf war ein tiefer und breiter Wassergraben.

Als ich dort hinkam, konnte ich nicht hinüber. Am anderen Ufer sah ich einen Offizier. Ich dachte mir, da müsse doch eine Brücke sein. Tatsächlich fand ich einen Übergang. Drüben angekommen, stand schon dieser Offizier vor mir. Er stellte sich als Lehrgangsleiter vor und fragte, wo ich denn so lange gewesen wäre. Ich log nach Leibeskräften, ich wäre in einen Sumpf gekommen, dort stecken geblieben, hätte mich verlaufen usw. Er glaubte mir kein Wort. Er begleitete mich am Ufer entlang, zurück zum Dorf, in dem der Ausbildungslehrgang stattfand. Meinen Hauptmann Lindemann rief er sofort an. Ich wusste nicht, wie dieser sich verhielt, da er vom Grund der Verspätung nichts wusste. Aber er hat mir sicherlich geholfen. Später einmal fragte er mich telefonisch, wo ich gewesen wäre. Ihm sagte ich die Wahrheit.

Auf einem Übungsfeld mussten wir mit der Panzerfaust üben, das heißt, auf abgeschossene Panzer schießen. Diese Panzerfaust war die Erfindung eines Geistesgestörten. Sie bestand aus einem einen Meter langen und sechs bis acht cm dicken Rohr, in dem die Sprengladung lag. Vorne am Kopf saß die Granate, groß wie ein Guglhupf, die vom Schützen aus nächster Entfernung abgefeuert wurde. Das war ein Himmelfahrtskommando.

Beim Heimmarsch kamen wir an einem Dorf vorbei, in dem noch russische Zivilbevölkerung wohnte. In den Dörfern wohnten nur alte Menschen und Mädchen. Jüngere Männer sah man nicht. Entweder sie waren beim Militär oder sie versteckten sich, weil sie von uns als Partisanen behandelt wurden. Ein alter Russe kam zu mir und gab mir in gebrochenem Deutsch zu verstehen, dass er etwas zum Rauchen wolle. Ich gab ihm einige Zigaretten, er wolle mir Honig dafür geben. Er zeigte mir eine Hütte, wo tatsächlich Bienenkörbe, aus Stroh geflochten, standen.

Jetzt hatte ich keine Gelegenheit, mir welchen mitzunehmen. Abends erzählte ich das meinen zwei Stubenkameraden und wir kamen überein, den Honig zu holen. Wir hatten noch Rauchwaren zum Eintauschen. Als es finster wurde, zogen wir los. Wir hatten ungefähr die Hälfte des Weges zurückgelegt, da hörten wir in einem Nachbardorf ein Feuergefecht, einen so genannten Rabatz.
Wir wussten gleich, was los war. Die Partisanen hatten wieder einen Tross überfallen. Schleunigst kehrten wir ohne Honig zurück. Als wir in unserem Dorf ankamen, war alles leer. Jetzt verkrochen wir uns in der Stube und warteten der Dinge, die da kommen würden, sicherlich keine guten. Der Appetit auf Honig war uns gehörig vergangen.

Nach einigen Stunden kehrte die Ausbildungskompanie zurück. Wir waren einem Stabsfeldwebel zugeteilt. Er kam in unsere Bude, machte Licht und sah unsere verstörten Gesichter. Wir hätten keinen Tropfen Blut gegeben. Er fragte uns, wo wir gewesen wären, während unsere Ausbildungskompanie in das überfallene Dorf zum Einsatz musste. Was nützte ein Herumlügen, wir sagten die Wahrheit. An seinem Gesicht sahen wir, dass es nicht so schlimm werden würde. Er hatte mit uns Erbarmen, hat uns nicht verraten, und wir sind wieder einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Ich sehnte den Tag herbei, an dem die Ausbildung zu Ende sein würde.
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Inhaltsverzeichnis
Unser Franz 
Der Lehrer Moser  -  1938
Die Zollkiste 
Im Kessel von Demjansk
An der Front
Der Unterführerlehrgang
Entnazifizierung
Meine Jagderlebnisse in Schenkenfelden
Geschichte aus meiner Dienstzeit in Weigetschlag
Eine Diensthundegeschichte
mit Dirndl

Eine Ochsengeschichte
Noch eine Hundegeschichte
vom Dirndl

Eine verhängnisvolle Abkürzung
Hasengeschichte Weigetschlag

die Zollkiste

Bild oben: Hugo Wagner
(Foto: privat)

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