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Der Lehrer Moser
Die Lebenserinnerungen des Zöllners Hugo Wagner



   

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Der Schriftsteller Reich-Ranicki erwähnt in seinem Buch "Mein Leben" auch das Buch vom Schimmelreiter. Ich weiß, dass diese Geschichte und die von Pole Poppenspäler vom schwedischen Dichter Theodor Storm geschrieben wurden. Das weiß ich deshalb so gut, weil es uns der Lehrer Moser in der sechsten Klasse Volksschule in Leonfelden vorgelesen hat. Natürlich in Fortsetzungen. Er hat sich auf die erste Bank gesetzt, hat gefragt, wo er aufgehört hat, ich wusste das ganz genau, und dann hat er weitergelesen. Auch Mundartdichter und Heimatdichter, wie Peter Rosegger, Franz Stelzhamer usw., hat er uns nicht vorenthalten. Mit den deutschen Klassikern hat er sich auch befasst, und wir mussten das Lied von der Glocke, die Bürgschaft, den Taucher und Teile von Faust usw. auswendig lernen.

beim Schifahren in Bad Leonfelden
Bild oben: Unsere Schulklasse beim Schifahren mit Lehrer Moser vor der Bründlkirche in Bad Leonfelden. (Foto: Hugo Wagner)


Er hatte auch für den Sport sehr viel übrig.
Im Wald erklärte er uns die verschiedenen Baumarten und dort durften wir uns mit Tannenzapfen gegenseitig bewerfen und ich war ein guter Schütze. Eine gefährliche Angewohnheit hatte er. Wenn draußen beim Sport ein Schüler etwas getan hatte, das ihm nicht gefiel, sagte er zu den anderen: "Haut ihn", und der wurde dann von einigen Schulkameraden verhaut. Ich habe mich nie daran beteiligt, das gefiel mir nicht.

Doch einmal wäre die Sache beinahe schiefgegangen. Da wurde z. B. einer verhaut und der hegte selbstverständlich Rachegedanken, und wenn ein anderer zum Verhauen drankam, war der der Erste, der sich auf den, von dem er auch einmal Hiebe bekommen hatte, stürzte. Meistens wurde der Übermasser das Opfer, weil er nach Ansicht des Lehrers ein böser, armer Bub war. Der Reindl, das war der stärkste und der Erste, der sich auf den Übermasser stürzte. Einmal sagte der Lehrer: "Haut den Reindl." Der Übermasser nahm seinen Taschenfeitel heraus und wollte sich auf den Reindl stürzen. Der Lehrer sah dies rechtzeitig, riss dem Übermasser das Messer aus der Hand und warf es in das an den Sportplatz anschließende Kornfeld. Der Übermasser lief ins Kornfeld und suchte das Taschenmesser.
Der Kleinhäusler, dem dieses Kornfeld gehörte, stürmte wütend über den Sportplatz. Noch ehe der Übermasser sein Messer gefunden hatte, bekam er vom Bauern ein paar Ohrfeigen verabreicht, und er wurde unsanft aus dem Kornfeld entfernt. Dem Lehrer Moser dürfte dies eine Lehre gewesen sein, er hat diese pädagogische Fehlmethode eingestellt.

Einmal lehrte uns der Lehrer Moser Vermessungswesen. Dabei fiel dem Übermasser ein kostbares Gerät zu Boden und zerbrach. Hierauf versohlte ihm der Lehrer mit einem Stock ganz gehörig das Hinterteil. Der Übermasser lief weinend davon, Richtung Heimat. Die Familie wohnte in einer armseligen Bauernkeusche. Sie lebten zum Großteil vom Betteln. Seine Mutter kam öfters zu uns, meine Mutter schenkte ihr Brot. Der Vater durfte das nicht sehen. Der Handel musste versteckt abgewickelt werden.

Übermassers Mutter hat den blauen Hintern ihres Sohnes verarztet. Heute würde man damit zum Hausarzt gehen. Der Missetäter hätte mit einer Anzeige zu rechnen. So etwas hat es damals nicht gegeben und schon gar nicht für so arme Leute wie die Übermassers. Frau Übermasser war eine schneidige Frau, sie hatte auch ein gutes Mundwerk. Als wir ein paar Tage nach dieser Vermessungstätigkeit in der Schule beim Unterricht saßen, ging ohne Anklopfen die Tür auf, und Übermassers Mutter stürzte herein. Ihr Bub war nicht in der Schule, der war im Krankenstand. Sie sprang hinauf auf das Pult, zu dem Tisch, an dem der Lehrer Moser gerade saß, und schrie furchtbar. Sicher hätte sie ihm eine heruntergehauen, wenn der Lehrer nicht schnell auf der anderen Seite heruntergesprungen wäre. Jetzt hat ihr der Lehrer mit der Gendarmerie gedroht, das hat sie zur Vernunft gebracht. Der Lehrer Moser war so fertig, dass er den Unterricht nicht mehr fortsetzen konnte.

Zu unser aller Freude wurden wir entlassen.
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Inhaltsverzeichnis
Unser Franz 
Der Lehrer Moser  -  1938
Die Zollkiste 
Im Kessel von Demjansk
An der Front
Der Unterführerlehrgang
Entnazifizierung
Meine Jagderlebnisse in Schenkenfelden
Geschichte aus meiner Dienstzeit in Weigetschlag
Eine Diensthundegeschichte mit Dirndl
Eine Ochsengeschichte
Noch eine Hundegeschichte vom "Dirndl
Eine verhängnisvolle Abkürzung
Hasengeschichte Weigetschlag


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