Meine Militärdienstzeit begann im November 1934 beim Österreichischen Bundesheer. Mein Ziel war damals Zollwachebeamter zu werden. Ohne Militärdienst war das nicht möglich.
Während dieser vier Jahre Bundesheerdienst in der Alpenjägerkaserne in Wels absolvierte ich in Abendkursen vier Klassen Hauptschule und besuchte in der Freizeit Kurse in Maschinschreiben und Stenographie. Dadurch wurde ich als Schreiber in die Regimentskanzlei berufen.
Bild rechts:
(Foto: Hugo Wagner)
Beim Einmarsch der deutschen Truppen im März 1938 war ich dort tätig.
Unverzüglich wurden wir Soldaten der Deutschen Wehrmacht. Nach dem Einmarsch ins Sudetenland in Südböhmen, im Oktober 1938, habe ich auf eigenen Wunsch abgerüstet, ansonsten hätte ich mich, wie alle übrigen Kameraden, auf zwölf Jahre verpflichten müssen, das heißt, wir wären automatisch verpflichtet worden.
Im Februar 1939 meldete ich mich freiwillig zum Deutschen Zollgrenzschutz. Nach bestandener Aufnahmsprüfung wurde ich an die Protektoratsgrenze nach Krummau an der Moldau versetzt. Dort verbrachte ich die schönste Zeit meiner Jugend.
Nach weiteren Aufenthalten in Weichseln, wo ich mit einigen Hilfsgrenzangestellten entlang des Schöningers Grenzdienst verrichtete, wurde ich nach Schönau, dem heutigen Sanov, an die tschechisch-slowakische Grenze abgeordnet.
Bei einem Tischler mietete ich ein Zimmer. In dem Häuschen waren eine Küche, mein Zimmer und eine kleine Werkstätte, in der man sich gerade umdrehen konnte. Angebaut war ein Stall für eine Kuh. Der Meister, seine Frau und zwei kleine Buben schliefen in der Küche in einem Bett.
Dieser Tischler baute mir eine so genannte Zöllnerkiste. Das war eine Holztruhe, ca. einen Meter lang, einen halben Meter hoch und ebenso breit. Beim Schlosser ließ ich sie mit eisernen Beschlägen ausstatten, so konnte man sie ordentlich zusperren.
Laut Dekret des Oberfinanzpräsidenten vom 15.02.1941 wurde ich mit sofortiger Wirkung zur Grenzaufsichtsstelle Srmovce Nicne an der polnisch-slowakischen Grenze, also nach Polen, versetzt.
Dieser Fremdenverkehrsort liegt am Fuße des Dreikronenberges, in der Nähe der Hohen Tatra, am Flusse Dunajec. Die Reise dorthin trat ich mit dem Zug und mit meiner Zollkiste an.
An der Grenze zwischen Mähren und Polen blieb der Zug stehen. Ich sah vom Fenster aus, wie Zollbeamte meine Kiste in die Zollstelle trugen. Vielleicht hatte ich die Kiste nicht entsprechend beschriftet? Verzweifelt sprang ich aus dem Zug und schrie dem Zöllner zu, dass die Kiste mir gehöre. Daraufhin setzte sich der Zug in Bewegung, mit Ach und Krach konnte ich noch den letzten Waggon erreichen. Ich schrie dem Beamten noch zu, wohin ich fuhr. Jetzt war die Zöllnerkiste mit meinen wenigen Habseligkeiten weg.
In einer Ortschaft in der Nähe des Dreikronenberges stieg ich aus und ging in ein Gasthaus. Dort erkundigte ich mich, wie ich nach Srmovce Nicne zu dem Touristenheim, in dem die Grenzaufsichtsstelle untergebracht war, gelangen könnte. Ein im Gasthaus zufällig anwesender, Deutsch sprechender Pole erklärte sich bereit, gegen eine entsprechende finanzielle Entschädigung, mir den Weg dorthin zu zeigen.
Bild rechts: Im Hintergrund ist die Unterkunft ersichtlich, am Fuß des Dreikronenberges. Hugo Wagner befindet sich links.
(Foto: Hugo Wagner)
Ich hatte noch einen Koffer. Den schleppte mein Begleiter und so stiegen wir den Dreikronenberg hinauf. Es ging ordentlich bergauf. An Schnee kann ich mich nicht erinnern. Von der Bergspitze aus sah man schon den Fluß Dunajec, auch das Touristenheim, und ich sah zum ersten Mal die landschaftliche Schönheit Polens. Allein trat ich den Abstieg an. Der Nordhang des Berges war wesentlich steiler. Ich suchte mir einen starken Stock und rutschte zum Teil in Geröllmulden ins Tal. Das war nicht ungefährlich, aber es machte mir Spaß.
In der Grenzaufsichtsstelle wurde ich vom Postenführer Lutz, einem freundlichen Tiroler, empfangen, und die aus Oberschwaben stammende Köchin verpflegte mich bestens.
Nach einer wohlverdienten Ruhepause verständigte ich das Zollamt, in dem sich meine Kiste befand. Ich sagte ihnen, wohin sie diese schicken sollten.
Tatsächlich kam sie einige Tage später am Bahnhof an. Ich mietete ein Pferdefuhrwerk, um die Kiste über den Dreikronenberg zu transportieren. Auf dem Weg entlang des Dunajec war das nicht möglich, weil ein Hochwasser den Weg wieder einmal unpassierbar gemacht hatte. Die Reise mit der Kiste über den Berg war nicht lustig. Die Pferde waren die Strapazen ja gewöhnt, doch die Kiste rutschte einige Male vom Wagen. Sie enthielt, Gott sei Dank, nichts Zerbrechliches und war mit zwei Eisenbändern rundherum gut abgesichert. Wir waren alle heilfroh, als diese romantische Fahrt zu Ende war.
Übrigens, diese Zöllnerkiste ist heute noch im Familienbesitz.
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