Eines Tages holte ich das Dirndl aus dem Zwinger und verrichtete mit ihr einen Dienstgang Richtung Stiegersdorf. Nachts brauchte ich den Hund durch den Markt Leopoldschlag nicht anzuleinen. Wenn es finster war, lief die Diensthündin ungefähr fünf Meter und bei Tag zehn Meter vor mir her. Durch den Ort musste ich bei Tag die Diensthunde immer anleinen, weil sonst mit ansässigen Hunden eine Rauferei entstanden wäre. Einige Male habe ich dies übersehen, und eine Hunderauferei ist nicht lustig, wenn man den Schiedsrichter spielen muss.
So zogen wir an diesem Tag entlang der Maltsch. Der Fluss bildet dort die Grenze. Hundert Meter vom Lagerhaus entfernt lief mein Hund plötzlich zu mir zurück. Das tat er immer, wenn irgendjemand des Weges kam oder ein Fahrzeug heranfuhr. Ich dachte, jetzt kommt jemand zu uns. Ich sah aber nichts, und es kam auch niemand. Die Hündin wich nicht von meiner Seite, und so leinte ich sie an. Sie führte mich vom Weg ab Richtung Grenze, direkt durch ein neben der Straße liegendes Kornfeld. Es war stockdunkel, und ich war gespannt, wohin mich die Hündin führen würde. Das Kornfeld reichte bis zur Maltsch. Fünfzig Meter davor blieb die Hündin stehen und gab Laut. Ich drehte meine Taschenlampe an. Ein uniformierter tschechischer Grenzsoldat richtete sich auf und schrie: "Nicht schießen!"
Er ist wohl sehr erschrocken, auch ich war überrascht.
Der Grenzsoldat hatte seine Waffe, einen Sack Munition und andere Ausrüstungsgegenstände bei sich. Ich nahm ihm nichts ab, weil ich sofort wusste, dass es sich um einen harmlosen Überläufer handelte, der hier im Kornfeld den Morgen abwarten wollte. So war es auch.
Zu dritt gingen wir zur Kanzlei ins Zollhaus. Er konnte nicht mehr Deutsch als: "Nicht schießen!" Es war daher ohne Dolmetscher nicht möglich mit ihm eine Niederschrift aufzunehmen. Wir mussten Überläufer der Gendarmerie abliefern, und das tat ich auch. Dort wurde er mit Hilfe einer Dolmetscherin verhört und weitergeleitet.
Bevor er die Grenze überschritt, hatte er seinen Diensthund in der Tschechoslowakei an einen Baum gebunden, gab er zu Protokoll. Nächsten Tag kam dieser Hund tatsächlich, mit der abgebissenen Leine, in Leopoldschlag an. Ich habe ihn mit Hilfe meiner Diensthündin schnell eingefangen. Er wurde mitsamt den Ausrüstungsgegenständen des Überläufers in Wullowitz den Tschechen übergeben. Sie sagten, sie hätten lieber den Überläufer übernommen. Dem wäre es sicherlich nicht sehr gut ergangen. Damals regierten in der Tschechoslowakei die Kommunisten.
Das war eine bemerkenswerte Dienstleistung meines Hundes namens Dirndl.
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