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Im Kessel von Demjansk
Die Lebenserinnerungen des Zöllners Hugo Wagner



   

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Am 15. Mai 1942 musste ich zur Deutschen Wehrmacht einrücken. Damit begann für mich ein nicht erfreulicher Lebensabschnitt.

Wir wurden zunächst zum Truppenübungsplatz Groß Born befördert. Dort stand an der Wand, neben meiner Pritsche, geschrieben: "In seinem allergrößten Zorn, schuf der liebe Gott Groß Born."
Als ehemalige Zöllner bekamen wir dort den letzten Schliff, und wurden reif gemacht für die Front. Danach ging es zu Fuß Richtung Illmensee, zum berühmten Kessel von Demjansk.
im Ausbildungslager Großborn

Bild rechts: im
Ausbildungslager Großborn
(Foto: Hugo Wagner)



Beim Anmarsch, wir hatten noch keine Waffen, hat uns der Iwan mit Fliegerbomben empfangen. Bei unserer Truppe, die aus ca. 150 Mann bestand, gab es bereits Tote und Verwundete. Wir mussten den Rückmarsch antreten, weil der Iwan wieder einmal den Kessel zugemacht hatte. Er konnte daher nur über eine Brücke erreicht werden. Diese wurde von den Russen, sobald sie die dort stationierten Pioniere aufgerieben hatten, zerstört, und sie wurde nicht wieder errichtet.

Als wir nach ein paar Tagen dort ankamen, wurden wir deshalb von den Pionieren mit Booten über die Lowat in den so genannten Schlauch gebracht. Dort war Sumpfgebiet und ein Fortkommen für Fahrzeuge nur auf Knüppeldämmen möglich, die von den Pionieren errichtet wurden. Entlang dieser künstlich angelegten Wege lagen deutsche und russische Panzer und anderes Kriegsmaterial in großer Menge umher.

Dieser Schlauch wurde zum stärkst umkämpften Gebiet des Kessels. Er wurde von den deutschen Truppen mittels Panzer auf- und von den Russen wieder zugemacht.
Im Kessel wurden wir abermals mit Granatwerfern beschossen. Ein Marschieren auf der Rollbahn war unmöglich, weil der Russe mit seinen Granatwerfern darauf eingeschossen war. Auf der Rollbahn waren zwar auch von uns Granatwerfer stationiert, die aber offensichtlich nicht genug waren.

Wir marschierten entlang der Rollbahn im Sumpf. Dort lagen tote Kameraden, die man an den wenigen Uniformstücken, die sie noch anhatten, als SS-Soldaten der Leibstandarte Adolf Hitlers erkannte. Die meisten Uniformstücke hatte ja schon der Iwan abmontiert. Zur Beerdigung war keine Zeit gewesen und wegen des Sumpfes auch wenig Möglichkeit.
Das war für uns Neulinge der erste Anblick des Grauens, und es sollte noch viel ärger werden.

Nach meiner Ankunft im Kessel von Demjansk wurde ich vom Kompaniechef zum Gruppenführer ernannt, und bekam eine Gruppe zugewiesen.

Das Frühstück, es war nur Kaffee, bereiteten wir selbst zu. Das Kaffeepulver mussten wir in kochendem Wasser auflösen. Nun waren alle Granattrichter ausgeschöpft. Im Niemandsland, also zwischen den feindlichen Stellungen, war ein Wassergraben. Ein tapferer Krieger nahm einige Kochgeschirre, hielt sie hoch, und ging so zum Graben. Der Iwan sah ihn, schoss aber nicht. Bis zu unserer Ablösung taten wir so.

Eines Nachts hörte ich in der Stellung einen lauten Knall. Ich lief hinaus, und ein Posten der Nachbargruppe kam mir ganz aufgeregt entgegen, der Iwan wäre im Schützenloch. Sofort gab ich Alarm und ging mit dem Posten zu dem Loch, in dem angeblich der Russe sein sollte. Es rührte sich weiter nichts, nur im Loch hörte man jemand jammern. Mit der Taschenlampe leuchtete ich hinein, und bei näherer Betrachtung sah ich, dass es der Posten war, der abgelöst werden sollte. Zusammen mit den anderen Kameraden trugen wir den Verwundeten in den Bunker, wo er verblutete, ehe er vom Sanitäter behandelt werden konnte.

Was hat sich da getan? Vom Iwan war nichts zu sehen und zu hören. Nächsten Tag schaute ich mir die Holzverkleidung um das Loch herum genau an. Ich sah in den Holzbalken blaue Blechsplitter stecken, die nur von einer unsrigen Handgranate stammen konnten. Nun konnte ich mir zusammenreimen, was geschehen war. Vielleicht hat der Posten geschlafen und der ablösende Posten hat auf den Erkennungsruf "Parole!" keine Antwort bekommen. Der Dienst habende Posten hätte das Kennwort nennen müssen, das am Vortag immer ausgegeben wurde. Als der neue Posten keine Antwort bekam, hat er die Handgranate, die jeder bei sich hatte, hineingeworfen. Er wurde daraufhin verhört, er hat alles, wie vermutet, zugegeben. Nun war guter Rat teuer. Eigentlich hätten wir den Vorfall melden müssen. Wir ließen aber Gnade vor Recht ergehen. Der tote Kamerad wäre dadurch nicht zum Leben erweckt worden. Mit dem schlechten Gewissen war der Täter genug bestraft.
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Inhaltsverzeichnis
Unser Franz 
Der Lehrer Moser  -  1938
Die Zollkiste 
Im Kessel von Demjansk
An der Front
Der Unterführerlehrgang
Entnazifizierung
Meine Jagderlebnisse in Schenkenfelden
Geschichte aus meiner Dienstzeit in Weigetschlag
Eine Diensthundegeschichte
mit Dirndl

Eine Ochsengeschichte
Noch eine Hundegeschichte
vom Dirndl

Eine verhängnisvolle Abkürzung
Hasengeschichte Weigetschlag

Hugo Wagner - Lebenserinnerungen Hugo Wagner - Lebenserinnerungen

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