Brauchtum
  Essgeschichten
  Regionalgeschichte
  Regionale Literatur
  Aktuelles
  Links / Adressen
  Wörterbuch / Sprichwörter
  Charity
  Lebenserinnerungen   Fotos Forum   Sitemap   Impressum

Übersiedelung nach Wolkersdorf
Aus meinem Leben: Ausschnitte aus "Erinnerungen an meine Kindheit und Schulzeit".
Autor: Hans Thaler


   

Sie können diese Plattform mitgestalten. Beiträge und Fotos sind erwünscht. Bitte senden Sie diese unter Angabe des Urheberrechts an eurojournal@utanet.at

 
 

Als ich fünf Jahre alt war, übersiedelten meine Eltern nach Wolkersdorf, dem nahe Gmeingrube gelegenen kleinen Bauerndorf, wo von der Papierfabrik ein alter Bauernhof angekauft und Wohnungen für Werksangehörige eingerichtet wurden. Hier verbrachte ich bis zum Beginn der Hauptschulzeit eine unbeschwerte, glückliche Kindheit. Die kleine Ortschaft, bestehend aus wenigen Gehöften, liegt am Eingang des damals abgeschiedenen, verträumten Laintales. Das kleine Bächlein des Tales, das bei Gmeingrube in den Vorderbergerbach mündet, hat drei Gehstunden nordöstlich am Hang des Bergrückens jenseits vom
Lamingbachtal seinen Ursprung. Berghuben und Almen durchbrechen hier nur vereinzelt das dunkle Grün der dichten Wälder.

Eine Wegstunde vom Talschlussboden des Laintales stand sonnseitig in einsamer Höhe der Bergbauernhof Feistra, das Eltern- und Geburtshaus meiner Großmutter Agnes. Die Kogel und Bergrücken dieser Gegend wie das Kampeck, der Klerschachkogel oder weiter nördlich der Thalerkogel geben in mittleren Höhen um 1500 Meter den Blick frei ins weite Land der Obersteiermark. In meiner Kindheit hat sich der Horizont jedoch nie so sehr geweitet, denn über das dritte Dorf im hinteren Laintal, wo nebst einigen Gehöften eine Mühle mit Sägewerk, ein Wirtshaus und eine kleine Dorfschule vorhanden waren, bin ich nie hinausgekommen. Zum vergnüglichen Wandern war bei den armen Leuten von damals wenig Bedürfnis vorhanden, da man ohnehin tagaus, tagein auf Schusters Rappen unterwegs war: zur Arbeit, beim Klaubholzsammeln und beim Einkaufen, was nur im nächstgelegenen Markt Trofaiach möglich war. Auch die Kinder mussten den vier Kilometer langen Weg zur Schule zu Fuß stapfen. So kam ich in meiner Kindheit in der obersteirischen Heimat nur im engsten Umkreis herum: nach Trofaiach, wo ich die Volksschule besuchte, nach Friedauwerk, wo Großmutter wohnte, nach Traboch, als ich gefilmt wurde, und erstmals per Autobus in die Bezirksstadt Leoben, wo ich drei Monate die Hauptschule besuchte. Am 6. Dezember 1935 übersiedelten meine Eltern nach Pernitz, wovon noch die Rede ist.)


Die Landeshauptstadt Graz lernten bezeichnenderweise meine Eltern nie kennen. Mein geographischer Horizont hat bis zu meinem elften Lebensjahr über den Umkreis von zehn Kilometern nicht hinausgereicht, ausgenommen der Fernblick an klaren Tagen bis zu den Gipfeln der Eisenerzer Alpen, die am nördlichen Rand des Beckens von Trofaiach über 2000 Meter in die Höhe ragen, so der markante Reiting und der Eisenerzer Reichenstein, deren Silhouetten mir als mein unvergessliches Daheim immer in Erinnerung blieben. Dieses Erinnerungsbild der Heimat meiner Kindheit verlor ich nie aus meinem Gedächtnis, obwohl ich durch Jahrzehnte hindurch keinerlei Kontakt mit Land und Leuten hatte. Und dazu gehört auch mein untrügliches Gefühl, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben, obgleich nach heutigen Maßstäben mein Aufwachsen durch Armut und Abgeschiedenheit geprägt war.

Unserer heutigen modernen Industriegesellschaft mit ihrem hohen Lebensstandard und der wie noch nie so ausgeprägten sozialen Sicherheit ist längstens seit der Atomreaktor-Katastrophe von Tschernobyl bewusst geworden, dass uns allen etwas Wichtiges abhanden gekommen ist, nämlich die Lebensqualität einer unverfälschten Natur. Zur Zeit meiner Kindheit war die Welt in dieser Hinsicht noch heil. Es gab noch gute, würzige Luft und allerorts klares, bekömmliches Wasser. Die Menschen lebten im Allgemeinen ohne Hast und Stress, hatten geruhsame Nächte ohne Lärmbelästigung und Straßen zur gemächlichen Fortbewegung ohne jenen schrecklichen Tribut von Verkehrstoten, was heutzutage längst zum Alltag gehört. Die karge Lebensweise, die den kleinen Leuten auferlegt war, erhielt sie bei reichlicher Bewegung im Kampf um die Lebensexistenz hager und frei von den Wohlstandskrankheiten, die in unsere heutige Zeit vorherrschen. Selbst ein Armer konnte damals ein durchaus glückliches Leben führen. Und so war die Zeit in Wolkersdorf nicht nur für mich, sondern meines Wissens auch für meine Eltern ein durchaus glücklicher Lebensabschnitt, obwohl nach unseren heutigen Begriffen keinerlei Wohnkomfort vorhanden war.




Inhaltsverzeichnis

Einleitung
Meine ersten fünf Lebensjahre in der Steiermark
Übersiedelung nach Wolkersdorf
Vom Leben im Laintal
Erinnerungen an meine unbeschwerte Kindheit
16. September 1931: Beginn der Schulpflicht
Mein Berufswunsch: Lehrer
Unser bescheidenes Alltagsleben
24. September 1935: Der Eintritt in die Hauptschule
Umzug in den Markt Pernitz in Niederösterreich

Seine Erinnerungen an die Militärzeit finden sich unter den Zeitzeugenberichten auf www.ooezeitgeschichte.at.
Hans Thaler: Memorandum – Erinnerungen an die Militärzeit
... lesen

Hugo Wagner - Lebenserinnerungen Foto K. Freisinger 

Beiträge / Anfragen bitte per E-Mail an eurojournal@utanet.at senden.