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Was alte Hochzeitsrechnungen erzählen
Autor: Karl Pilz

Der Artikel erschien in
"Oberösterreichische Heimatblätter"
Jahrgang 45 / 1991 / Heft 2
S. 184 - 186

   

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In einem im Jahre 1910 erschienenen Goiserer Ortsführer ist über das örtliche Brauchtum zu lesen:
"Wie fast überall werden auch hier wichtige Ereignisse im menschlichen Leben gekennzeichnet und begleitet mit gewissen Sitten und Gebräuchen, die sich oft durch Jahrhunderte unverändert erhalten haben, doch hat auch hier der alles ebnende und gleich machende Zeitgeist das Seine getan, manchen absonderlichen Auswuchs beseitigt, aber auch manches Sinnreiche und Schöne. Unter wichtigen Ereignissen mit besonderen Gebräuchen seien hier in erster Linie die Hochzeiten erwähnt."
Ölbild von E. Pichl

Das alte Kreuzhuber-Gasthaus in der Kirchengasse in Bad Goisern (rechts im Bild). Ölbild von E. Pichl.





Der Schreiber jener Zeilen hatte Recht: Die Hochzeitsbräuche wurden schon im 19. Jahrhundert, erst recht aber nach dem Jahre 1910 "vom Zeitgeist" beeinflusst und eingeebnet. Bei welcher Hochzeit fungiert heute noch ein Ladmann (auch Prokurator genannt), der beim Weisen um Mitternacht ellenlange Danksagungen, die mit Zitaten aus der Bibel gewürzt sind, an das Brautpaar und die Hochzeitsgäste richtet? Oder gar Truchsesse, die sich um das leibliche Wohl der Gäste und um die richtige und ehrliche Entrichtung der Mahlgelder kümmern? Höchst selten werden heutzutage noch "Dranggen" (Spottfiguren) für sitzen gebliebene oder untreu gewordene Burschen oder Mädchen auf Bäumen oder an Scheunen, an denen sich der Hochzeitszug vorbeibewegt, angebracht. Auch das typische Goiserer Hochzeitsfrühstück, bestehend aus einer Erbsensuppe und einem safrangelben Grießschmarren (Hochzeitskoch), wird nur noch höchst selten aufgetischt. An dessen Stelle ist meist schon ein Sektfrühstück getreten.

Welch ein Wechsel der Bräuche im Laufe der Zeiten bei Hochzeitsgastereien eintrat, dafür bekam ich Beweise in die Hand, als mir Herr Josef Scheutz, Nachkomme einer Goiserer Gastwirtsfamilie, ein Bündel Hochzeitsrechnungen zur Durchsicht überließ, die er vor längerer Zeit im ehemaligen Kreuzhuber-Gasthaus in Goisern (heute Kirchengasse Nr. 17) aufgestöbert hatte. Die interessanten Papiere waren mindestens schon 160 Jahre alt.

Es ist erstaunlich, wie viel in der so genannten guten alten Zeit bei Hochzeitsmählern vertilgt wurde. Als zum Beispiel der Bäckermeister Michl Wiesinger am 22. März 1826 beim Kreuzhuber mit seinen Hochzeitsgästen Einkehr hielt, standen nach damaligem Brauch eine Festtafel für die Honoratioren und für das Hochzeitspaar und deren engste Verwandtschaft sowie vier große Tische für die Freunde, Nachbarn und Bekannten des Paares bereit. An der Tafel wurden etwa vierzehn Gänge serviert, an den anderen Tischen etwas weniger. Das Hochzeitsessen an der Festtafel bestand aus 1. Hühnern mit Reis, 2. Rindfleisch mit zwei Soßen, 3. einer Schüssltorte, 4. Kalbsbraten, 5. Einmachfleisch, 6. Tauben mit Butterdampfl, 7. Schweinsbraten, 8. Spießkrapfen, 9. Zahlkrapfen, 10. gebratenen Hühnern, 11. Brottorte, 12. Schnecken (wahrscheinlich eine süße Mehlspeise und keine natürlichen Schnecken), 13. gesulzter Zunge, 14. Zuckertorte, 15. gerösteten Mandeln. Dieses Mahl kostete einschließlich eineinhalb Liter Wein pro Gast fünf Gulden und zwölf Kreuzer. Wahrscheinlich dauerte dieses Hochzeitsessen von der Mittagsstunde an bis zur Mitternacht, wozu zwischendurch fleißig getanzt wurde, um das Essen besser zu verdauen. Was von den vielen Gerichten überblieb, durfte als Mahl- oder Bschoadpacki nach Hause getragen werden. An den Tischen für die übrigen Hochzeitsgäste gab man es um einen ganzen Gulden billiger. Dort wurden für jeden Gast außer Mahlsemmeln Bratwurstsuppe, Rindfleisch, Gschnaiti (= Beuschel), Schinken, Kalbsbraten, Weinbeertorte, Spießkrapfen, Leberigel, Schweinsbraten, Zuckertorte, Zahlkrapfen, Weiskrapfen, ein Mus und ebenfalls drei halbe Maß Wein aufgetragen.
Laut Abrechnung zahlte der Hochzeiter nur für sich und drei weitere Personen die Zeche selbst, alle anderen Gäste entrichteten ihre Mahlgelder "samt allfälliger Überzech" an einen der drei eigens bestellten Truchsesse, die mit dem Gastwirt abrechneten. Der Bräutigam zahlte auch das Mittagessen für die Spielleute, das weitaus weniger kostete als jenes der Hochzeitsgäste. Die Spielleute begannen um die Mittagszeit mit den langsamen Suppentänzen, später folgten die Ehrentänze, dann wurde munter drauflosgefiedelt bis weit nach Mitternacht, bis das Fest mit einem "Außischmeißer", meist mit dem Schleunigen, endete, wenn Braut und Bräutigam schon längst im "trauten Kämmerlein" ihre Hochzeitsnacht feierten.

Was in den alten Hochzeitsrechnungen besonders auffällt, ist, dass das damals teuerste Fleischgericht der Schweinsbraten war. Er kostete im Jahre 1826 nämlich 22 Kreuzer, während für den Kalbsbraten nur 15 Kreuzer berechnet wurden.

In einer Hochzeitsrechnung aus dem Jahre 1837 fiel mir eine Neuerung auf, nämlich je eine "Schalle Gaffe" für die Gäste an der Tafel, die mit 15 Kreuzern vermerkt ist. Der Kaffee kostete demnach damals so viel wie eine Portion eingemachter Hühner oder ein Kalbsbraten.

Als im Jahre 1835 der Provisor Jakob Pfost, der die Badergerechtigkeit der Wundarztenswitwe Eva Maria Perndanner ausübte, heiratete, ließ er laut Abrechnung des Gastgebs seinem bettlägerigen Panenten Posch einen Viertelliter Tiroler Wein samt einem Braten (Gesamtkosten: 34 Kreuzer) und einem anderen seiner Patienten eine Mahlzeit (Kosten: 28 Kreuzer) zustellen. Bei der Hochzeit dieses Provisors ging es besonders hoch her: Nicht weniger als zehn Musikanten spielten zum Tanz auf. Außer den üblichen Gerichten gab es für die Gäste an der Tafel "eingemachtes Wildprat samt Butterbögen", "Kapaun mit 2 Salat", gefüllte Forellen, Rehbraten, ferner Konfekt und Zwieback.

Anlässlich der Hochzeit des Salinen-Kammerguts-Chirurgen und Wundarztes Felix Perndanner anno 1836 wurde, beweisbar durch die Rechnung des Gastwirtes, einer kranken Witwe in Lauffen und einer Patientin in der Ortschaft Steinach ein Mittagessen ins Haus geschickt. Die Patienten sollten eben auch etwas davon haben, wenn ihr Arzt Hochzeit hielt. So menschenfreundlich waren damals die Sitten und Gebräuche! Übrigens war diese Arztenshochzeit ein besonderes Fest: "An der Tafel" saßen 40 Gäste, an den vier anderen Tischen 45 Personen. Außer vielen anderen Gerichten wurden auch ein "Boutting mit Schatte" (Pudding mit Weinsoße), für jeden Gast eine halbe Ente und eine mit 40 Kreuzern sehr teure "Muskazin-Dorte" serviert.

Bei anderen Hochzeiten gab man es auch etwas billiger, bei einem Essen von nur zehn oder zwölf Gängen kam man (die Getränke nicht mitgerechnet) auf ein Mahlgeld von etwa dreieinhalb Gulden. Dieser Betrag entsprach ungefähr dem Gegenwert von einem Metzen (56 Liter)
Weizen.






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